Ein ungewöhnlicher Vorgang: Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Tempelhof-Schöneberg hat jetzt eine Resolution verfasst, in der sie sich hinter den Schulleiter der Friedrich-Bergius-Schule, Michael Rudolph, stellt - ohne allerdings seinen Namen zu nennen.

Zu unbequem?

Das politische Gremium im Bezirk stellt sich damit gegen die Entscheidung, den für seine klaren Regeln bekannten und erfolgreiche Friedenauer Rektor nach diesem Schuljahr mit 65 Jahren unfreiwillig in den Ruhestand zu verabschieden. Rudolph wollte über die Pensionsgrenze hinaus bleiben, doch die Senatsschulverwaltung lehnte dies ab. Viele Berliner, darunter auch Bildungspolitiker auf Landes- und Bezirksebene, mutmaßten daraufhin, dass ein unbequemer und eigenwilliger Schulleiter abgestraft werden solle.

Bezirksverordnete äußern Unverständnis

In der nun verabschiedeten Willensbekundung heißt es, die Bezirksverordnetenversammlung nehme mit Unverständnis zur Kenntnis, dass Anträge von Schulleitungen auf Verlängerung ihrer Dienstzeit abgelehnt werden. Denn es sei zu begrüßen, wenn eine Schulleitung motiviert ist, weiterhin Verantwortung an ihrer Schule zu tragen. Verwiesen wird dabei auf den eklatanten Mangel an ausgebildeten Pädagogen im Berliner Schuldienst und die Vielzahl an nur kommissarisch besetzten Leitungsfunktionen.

Die Bezirksverordneten sprechen sich dafür aus, „von der Möglichkeit des § 38 im Landesbeamtengesetz Gebrauch zu machen.“ Anträgen auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand sollte grundsätzlich stattgegeben werden. Dies sei im Interesse des Landes Berlin, betonen die Bezirksverordneten von SPD, Grüne, CDU, FDP und AfD.

Nur die Linke stimmte dagegen

Lediglich die Linken stimmten gegen den Antrag. Linke-Fraktionschefin Elisabeth Wissel begründete dies auf Anfrage der Berliner Morgenpost damit, dass die jüngere Generation die Chance haben müsse, im Schuldienst in leitende Funktionen nachzurücken. Außerdem stehe die Fraktion dem pädagogischen Konzept des Bergius-Schulleiters ablehnend gegenüber.

Rudolph hat klare Regeln an der Schule eingeführt, die konsequent überwacht werden. Der Schulleiter begrüßt jeden Morgen um 7.30 Uhr die Schüler persönlich. Wer zu spät kommt, muss klingeln und warten, bis die nächste Stunde anfängt. Die Zuspätkommer müssen zum Beispiel den Schulhof fegen.

Der Erfolg gibt dem strengen Schulleiter allerdings Recht: Die Quote der Schulabbrecher an der Sekundarschule ohne Oberstufe sank unter ihm erheblich, mehr Jugendliche als je zuvor verlassen die Schule mit einem Mittleren Schulabschluss (MSA), die „Bergius“ kann im zehnten Jahr in Folge mehr Anmeldungen vermelden als sie Plätze hat.

Die Entscheidung der Senatsschulverwaltung, Rudolph nicht weiter zu beschäftigen, hat sich rasch zum Politikum entwickelt. Der zuständige Staatssekretär in der Senatsbildungsverwaltung, Mark Rackles (SPD), warf den Bildungspolitikern von CDU, FDP und Grünen auf Landes und Bezirksebene nach ihrer Kritik vor, sie „skandalisierten Verwaltungshandeln“. Ihre unseriösen Vorwürfe beschädigten das demokratische System in Gänze, zeigte er sich in einem Brief an vier Fachpolitiker verärgert. „Es ist absolut normal und sogar gesetzlich vorgesehen, dass eine Dienstkraft des Landes nach 41 Dienstjahren in den Ruhestand wechselt“, so der Staatssekretär. „Das nennt man Pensionsgrenze und die kommt für keine Seite überraschend.“

Besserungen angemahnt

Die schulpolitische Sprecherin der Grünen in Tempelhof-Schöneberg, Martina Zander-Rade betonte, sie hoffe, die Willensbekundung der Bezirksverordnetenversammlung habe auch Rackles gezeigt, wie Demokratie tatsächlich funktioniert. „Demokratisch gewählte Bezirksverordnete kontrollieren die Verwaltung, kritisieren, wenn es nötig ist, mitunter auch über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg deren Entscheidungen und mahnen Besserungen an“, so Zander-Rade. Beate Stoffers, Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) verteidigte die Entscheidung am Freitag erneut. Sie beruhe auf ganz normalem Verwaltungshandeln.

Link zum Originalartikel